Gästebuch

Donnerstag, 7. April 2011

Späte Ehrung für Edelweißpiraten

Nein, nein, nicht für mich. Ich brauch keine Ehrung.

Nein, die echten Edelweißpiraten, zumindest ein paar davon, sollen geehrt werden. Und da sie Pate für meinen Nickname standen (auch nicht ganz ohne Grund), möchte ich es nicht unterlassen, dies hier zu berichten. Es stand heute in der Zeitung: Drei Edelweißpiraten sollen das Bundesverdienstkreuz bekommen.
Genauer geht es um Gertrud Koch, Fritz Theilen und Wolfgang Schwarz. In einer Woche ist die Verleihung.
Ihr Mitstreiter Jean Jülich hat bereits vor 21 Jahren das Bundesverdienstkreuz erhalten.

Nach dem 2. Weltkrieg stritt man viel um die Edelweißpiraten. Für viele waren sie schlicht kriminelle Jugendliche. Andere glorifizierten sie als Helden des Widerstands. Beide Sichtweisen sind als solche sicherlich falsch und zugleich irgendwo richtig. Diesbezüglich haben die Historiker längst die grundlegenden Fragen beantwortet.
In Köln gab es bereits früh in den 30er Jahren Jugendliche, die sich nicht an die gesellschaftlichen Vorgaben anpassen wollten. In der Nazi-Diktatur war dies jedoch gleichbedeutend damit, mit dem Regime aneinander zu geraten. Und Gesetzesübertretungen, wie sie aufmüpfige Jugendliche in ihren wilden Jahren schonmal verüben, haben unter einem solchen Regime dann ungleich gravierendere Auswirkungen als ein paar Sozialstunden. Da das Regime Anspruch auf die Erziehung und Indoktrinierung aller Jugendlicher erhob, nahm es die Jugendlichen, die sich dagegen sperrten natürlich als Feinde war.
Die ersten Jugendbewegungen nannten sich in Köln Navajos, später dann Bündische Jugend oder Edelweißpiraten. Zuvorderst stellten sie sich gegen die Hitlerjugend, der sie sich nicht unterordnen wollten. Erst an zweiter Stelle und eher unfreiwillig stand der NS-Staat als solches als Gegner - denn dieser reagierte auf diese Cliquenbildung der unangepaßten Jugendlichen mit Gestapo-und SA-Einsatz und Razzien.

Die Bewegung war nicht einheitlich, der Organisationsgrad gering, ein großartiges politisches Programm gab es nicht. Nur der Wille zur Widersetzung gegen etwas, das als gegen den Menschen gerichtet wahrgenommen wurde - erfahren am eigenen Leib, wenn man zur Hitlerjugend gezwungen werden sollte. Der Durchsatz war groß. Sobald die Jugendlichen mit steigendem Alter zwangsweise zum Reichs-Arbeitsdienst oder zur Wehrmacht eingezogen wurden, waren sie raus der Bewegung; dafür rückten jüngere nach.
Widerstandskämpfer im klassischen Sinn waren sie also nicht. Aber sie als schlichte Kriminelle abtun zu wollen würde zu kurz führen. Wenn man sich in einer Diktatur den Vertretern des Regimes, etwa der Hitlerjugend, widersetzt ist man automatisch aus Sicht des Regimes kriminell.

Die Edelweißpiraten bewiesen, daß man auch als junger Mensch sich ein eigenständiges Denken bewahren konnte. Und sie zeigten in den letzten drei Kriegsjahren einen großen Mut, als sie den Repressionen des Regimes die Stirn boten - einen Mut, den nicht viele andere hatten. Ihr Verhalten war die natürliche Gegenreaktion gegen ein verbrecherisch agierendes Regime. Sie bewahrten sich mehr Freiheit vor allem im Kopf und im Herzen als die meisten anderen.
Gegen Kriegsende waren es im zu Trümmer gebombten Köln hunderte, wenn nicht tausende Jugendliche, die zur Edelweißpiratenbewegung gehörten.

Es gibt in Köln eine nicht enden wollende Debatte Jean Jülich, der sich auch nach dem Krieg sehr verdient darum machte, das Erinnern und Gedenken an die Geschehnisse von damals wach zu halten, zum Ehrenbürger zu machen. Im Stadtrat sperrt sich die CDU dagegen - mit recht fadenscheinigen Argumenten.
Oder möchte die Union etwa niemanden ehren, der für das Benutzen des eigenen Kopfes statt für Obrigkeitshörigkeit steht? Der Verdacht drängt sich mir jedenfalls auf.

Ich würde mich jedenfalls freuen, wenn Jean Jülich, der diesen Monat seinen 82. Geburtstag feiert, an seinem Lebensabend nochmal mit der Ehrenbürgerschaft geehrt würde. Es wäre mal das richtige Signal angesichts der vielen Vertreter des ehemaligen Naziregimes, die in etlichen Städten Deutschlands noch als Ehrenbürger firmieren bloß weil man nach dem Krieg vergaß sie ihnen zu entziehen.

Die Taverne wird jedenfalls weiterhin in einer doch gewissen Tradition bleiben. Unangepaßt und den eigenen Kopf nutzend. Für mehr Durchblick und der Freiheit verpflichtet.

Euer Pirat.

1 Kommentar:

  1. Hast Du prima dargestellt. Als Kölner kenne ich die Geschichte. Habe aber wie Du es beschrieben hast, da immer nur radikale Meinungen zu hören. Ich finde man muss sie weder glorifizieren noch verurteilen, sondern das Gute würdigen, was sie getan haben.
    Und der Schäng hätte die Ehrenbürgerschaft in der Tat verdient. Das wäre auch gut für Köln
    Gruß
    Fulano

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