Heute bin ich auf etwas interessantes gestoßen, daß allen Antikapitalisten unter meinen Lesern ein Zelt in der Hose bereiten durfte:
www.bankrun2010.com
Hinter dieser Initiative steht die mir bis dato nicht so bekannte belgische Drehbuchautorin Géraldine Feuillien und einige andere globalisierungskritische Aktivisten.
Ich hab mich auf der Seite mal ein wenig umgeschaut...ich muß ja echt sagen, die Träume von der Friede-Freude-Eierkuchenwelt, die dort propagiert werden sind ja schon recht hübsch. Aber irgendwie ermüdend, wenn es dann in die gedanklichen Gefilde eines Jan van Helsing abgleitet. Das ist dann irgendwann der Punkt, wo Ex-Bundeskanzler Schmidt den Arzt empfohlen hätte.
Nun gut, man muß ja Träume haben.
Nur fehlt mir dann der realistische Part der Vision, um anstehende Probleme ganz konkret zu lösen. Vor allem: Welche Zwischenschritte müssen passieren um in der Realität der Vision nahekommen zu können? Welche Probleme durften kaum zu lösen sein? (Es gab noch nie eine Vision, deren reale Umsetzung nicht mit Abstrichen leben mußte). Wie muß die Vision real umgesetzt sein, um nicht nur 10 Jahre als System zu funktionieren, sonern auf unbestimmte Zeit? Schließlich ist nix ohne Tücken und Fehler. Bislang fehlt mir Hand und Fuß, zumindest hab ich beim überfliegen der Texte nix dazu gefunden.
Die Aktion selber, die propagiert wird: Am 7. Dezember sollen möglichst viele Menschen kollektiv ihr Geld abheben. In der Hoffnung, daß man dann die Banken in die Bredouille bringt, die Stützen des bösen kapitalistischen Systems.
Eine in der Tat bestechende Idee. Erstmal.
Es gibt da einen Unterpunkt, der sich nach Überschrift mit den Folgen einer solchen Aktion, vor allem wenn sie den Erfolg einer zusammenbrechenden Bank haben sollte, befaßen soll. Ich sage soll. Statt dessen wird aufgelistet, daß man ja so besorgt ist über die Ausbeutung der Menschen und der Umwelt durch das kapitalistische System, die Mißbräuche der Deregulierung etc.
Ich finde das toll, daß man besorgt deswegen ist. Bin ich auch. Nur war das nicht die Frage.
Die Frage war: Was wären die Folgen, wenn wirklich so viele Menschen ihr Geld abheben, das bedeutende Bankhäuser ins Wanken geraten? Etwa die Deutsche Bank? Nur mal angenommen!
Bekanntermaßen ist das in der Tat mit gutem Grund das Horrorszenario aller Wirtschaftsexperten - lange Schlangen vor den Banken weil alle ihr Geld wollen. Natürlich gehen Banken davon unter Umständen pleite. Aber nicht nur Banken. Die Fernwirkungen sind größer. Darüber muß man sich klar sein. Es wird eben nicht nur die Banken treffen. Die Folgen werden uns alle treffen. Eigentlich könnte praktisch all das eintreffen, was man bislang den Schandtaten der bösen Banker und Politiker anlastete - Arbeitslosigkeit, Staatspleiten, allgemeines Elend, Währungscrashs. Wenn die Banken kaputt gehen wird es nicht zuletzt auch die kleinen Anleger, die Oma von nebenan und den hart sparenden Arbeiter treffen. Und zwar schneller und härter als die Superreichen.
Und das aus dem ganzen Chaos dann tatsächlich die hehren Ziele der skizzierten Visionen und Träume auf dieser Seite hervorgehen, ist keinesfalls gesagt! Denn einen Plan für den Tag danach kann ich ehrlich gesagt nicht erkennen.
Wenn man wirklich den Menschen helfen will, sich von einem Joch zu befreien, dann sollte man ihnen im Bezug auf sowas zumindest wesentlich reineren Wein einschenken.
Zugegeben, einen solchen Erfolg, daß man sich ernsthaft darum Sorgen machen müßte, wird die Aktion wahrscheinlich nicht haben.
Aber dies wirft das Licht auf etwas anderes. Das gegenwärtige System (also der Kapitalismus in seiner gegenwärtigen speziellen Variation) ist alles andere als perfekt. Das gebe ich als durchaus überzeugter Kapitalist zu. Änderungen sind nötig, teilweise radikale und unangenehme, man sollte neue Wege gehen.
Nach dieser Grunderkenntnis hört die Erleuchtung aber meistens auf. Die meisten Menschen speziell im Westen sind doch immer noch zufrieden genug mit dem System, da es den meisten letztlich ihre grundlegenden Bedürfnisse befriedigt. Sie ahnen, daß ein anderes System einen sehr radikalen Umsturz erfordern könnte, der viele Unannehmlichkeiten mit sich brächte. Und wenn Unannehmlichkeiten drohen ist der Mensch meist ein Gewohnheitstier und beläßt es lieber beim Status quo. In diesem Sinne sind die meisten Menschen vergleichsweise feige und egoistisch. Eine Minderheit ist bereits so unzufrieden mit dem System, daß sie nur noch dagegen ist. Da die Unzufriedenheit sich aber oft aus sehr persönlichen Gründen speist und die Weltverbesserung eigentlich nur als tarnende Monstranz dient, wird die Revolution und der Umsturz nicht mehr mit einem Plan für den Tag danach angestrebt. Es ist Aufstand um des Aufstands willen, zur persönlichen Ergötzung an Zerstörung und Chaos. Visionen sind nur der Vorwand. In diesem Sinne
sind nicht wenige selbsternannte linke (und manchmal auch rechte) Aktivisten keine Avantgarde eines gerechteren Systems, sondern ein egoistischer, heuchlerischer Scheißhaufen (frei nach Constantine).
Daraus entsteht ein Teufelskreis, der uns letztlich in unserem System stagnieren läßt. Die skizzierte radikal-unzufriedene Minderheit bestimmt das Bild, das die semi-zufriedene Mehrheit von den Alternativen zum Jetzt hat. Dieses Bild ist negativ und nährt erst recht Ängste vor dem Umsturz. Damit werden umstürzlerische Absichten nie die kritische Mehrheitsmenge erlangen. Vernünftige Stimmen dazwischen sind so gering in der Zahl, das sie nicht wahrgenommen werden. Von der semi-zufriedenen Mehrheit werden sie wenn als bereits zu träumerisch abgetan. Von der radikal-unzufriedenen Minderheit werden sie bereits als vom System korrumpierte Ahnungslose abgetan.
Was folgt aus dieser Betrachtung? Es bleibt die Erkenntnis, daß sich etwas ändern muß und das diese Änderung uns Unannehmlichkeiten bereiten und Abstriche abnötigen wird.
Wie wir unsere Probleme letztlich lösen - ich habe keinen Schimmer. Da bin ich ganz ehrlich. Ich weiß aber, daß mir die Ansätze radikaler Linker bisher ebenso wenig erfolgversprechend erscheinen, wie das "Weiter so" aus den Türmen der Bankmanager. Vielleicht ist es ja der Fehler, daß beide die jeweils andere Seite als Teil des Problems sehen - und nicht erkennen, daß beide Teil der Lösung sein müssen.
Hmmm...vielleicht doch am 7.12. Geld abheben. Solang vielleicht nur eine kleine Bank zusammenbricht...ist es vielleicht für alle ein guter Warnschuß.
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